Die Marke sollte Treibstoff der Individualität und Bindemittel zur Vergemeinschaftung sein
Das klingt widersprüchlich. Doch die Insights, die wir über die echten Connected Consumer gewonnen haben, verlangen genau das.
Die jüngste Konsumenten-Generation unterscheidet sich in ihrem Kauf- und Kommunikationsverhalten dramatisch von allen vorherigen Generationen: „iBrains“, geboren zwischen 1997 bis 2011, gelten als die ersten echten „Connected Consumer“. Zwar sind auch „Babyboomer“, die „Generation X“ und natürlich die „Millennials“ mittlerweile gut vernetzt, doch nur iBrains sind mit der digitalen Vernetzung groß geworden und in ihrer Entwicklung durch sie geprägt worden.
Die Herausforderung für Marken: iBrains sind fokussierter als frühere Jahrgänge und gleichzeitig viel schwieriger zu erreichen. Sie müssen daher ganz anders angesprochen werden als ihre Vorgängergenerationen. Zwei Aspekte machen dies deutlich: Bricolage (Bastelkonsum) und permanente Teilaufmerksamkeit.
„Move Around“-Kommunikation. „Bricolage“ meint einen Wandel des Konsumverhaltens hin zu einer Art Bastelkonsum: iBrainsbilden eine chaotische Masse ohne ideologische Ankerpunkte und mit wechselnden Zugehörigkeiten. Sie sind außerordentlich mobil, schöpfen aus unendlich vielen Ressourcen und vernetzen sich in vielfältigen Dimensionen. Das führt zu vermeintlichen Paradoxien, etwa dazu, dass ein junger Konsument Bionahrung und nachhaltige Kleidung kauft und gleichzeitig einen SUV fährt. Um nichts zu verpassen, widmen sich iBrains vielen Dingen gleichzeitig. Die Aufmerksamkeitsspanne für ein einzelnes Thema ist innerhalb weniger Jahre im Durchschnitt von zwölf auf acht Sekunden gesunken. Onlinevideos weisen eine durchschnittliche Sehdauer von nur noch 2,7 Minuten auf. Für Marken heißt das, dass sie besonders spannend erzählen und alle Medien bespielen sollten, um Aufmerksamkeit zu erzielen.
Qualitative Präsenz erhöhen. Für Unternehmen und Marken gilt es nun, ihre qualitative Präsenz zu erhöhen. Das gelingt am wirkungsvollsten in vier Bereichen: Performance, Verortung, Überraschung und Ritualisierung.
1. Performance: Bei der Ansprache der jungen iBrains geht es zuerst um die spielerische Darstellung von Spannung und Erlebnis. Zusätzlich vermitteln erfolgreiche Marken Verantwortungswerte – eher implizit als explizit, ganz selbstverständlich. Das Beispiel des Duschschaums „bilou“ von YouTube-Star Bibi veranschaulicht es: Im Vordergrund steht die „Performance“, dahinter schwingt leise, aber wahrnehmbar eine „Philosophie“ mit, in der es unter anderem „100% vegan“ heißt.
2. Verortung: Schneller und nachdrücklicher als die Konsumenten-Generationen zuvor fragen iBrains nach der Sinnhaftigkeit von Marken und Produkten. Sie wollen wissen, wofür eine Marke steht, und lehnen Beliebigkeit ab. Die Lebensmittelmarke Rügenwalder Mühle hat dies berücksichtigt, als sie in der werblichen Kommunikation ihr Testimonial Jörg Pilawa durch eigene Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter ersetzte. Wer ein Produkt entwickelt, kann glaubwürdiger davon erzählen als ein Fernsehmoderator.
3. Überraschung: Vor allem große Unternehmen sollten landläufige Wahrheiten in Frage stellen. Bei iBrains landen sie dadurch Überraschungscoups mit positiven Effekten für die Markenwahrnehmung. Automobilhersteller, die auch Car-Sharing anbieten, zeigen Flexibilität im Sinne einer hohen Kundenorientierung, und das kommt an.
4. Ritualisierung: Durch die Smartphone-Nutzung sparen Konsumenten Zeit, fühlen sich aber auch getaktet und zunehmend gestresst. Was ihnen hilft, sind Rituale, die Rhythmus in den Alltag bringen. Hervorragend verstanden hat dies Steve Jobs, der neue Apple-Produkte in immer der gleichen Art und Weise präsentierte. Bei Ikea sind es die saisonal wiederkehrenden Speisenangebote im Restaurant, die den Kunden Rhythmus statt Taktung bieten.
Fazit aus all diesen Insights:
Was Marken heute adressieren müssen, ist ein „starkes Ich“ im “ummantelnden Wir“, wobei sich das „Wir“ permanent verändert.
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